Les périphériques vous parlent Nr. 4
WINTER 1995/1996
S. 66-69
deutsch
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Alternative und solidarische Wirtschaft

„Wir haben Sicherheit und Konsummöglichkeiten gegen Wirtschaftsübertragung eingetauscht”. Daher stellt für den Bürger die Notwendigkeit, andere Austausch- und Produktionsräume zu erfinden, die schmerzhafte Frage der Selbstverwaltung. Die Aktion des REAS scheint uns dem Wort unternehmen all seine Bedeutung zurückzugeben, wenn es vor Allem den Aufbau einer Sozialbeziehung einer neuen Art als Grundlage der Wirtschaftstätigkeit bedeutet.

Im Rahmen dieses Textes stelle ich das Experiment des Netzwerkes für eine Alternative und Solidarische Wirtschaft, des REAS, einer Bewegung zur Schaffung von Aktivitäten und Gesellschaftserneuerung vor, welches in Frankreich tatsächlich seit 1992 organisiert wird, aber auf bereits ältere Experimente verweist. Die gleiche Bewegung existiert unter verschiedenen Namen wie „Freiwillige Wirtschaft”, „Wirtschaft von unten”, „Volkswirtschaft” oder „Gemeinschaftswirtschaft” in fast allen Industrieländern. Die Ergebnisse, welche ich hier darlegen werde, bilden unter den Möglichkeiten, die Umwälzungen, welche in unseren Gesellschaften am Werk sind, zu begleiten oder zu orientieren, nur eine Antwortenkategorie und nur eine unter allen einander nicht unbedingt ausschließenden Antworten. Ich werde zunächst eine Beschreibung von Geschichte und Wirklichkeit dieser Experimente, namentlich deren des REAS, abgeben. Anschließend mache ich einen Kommentar oder womöglich eine Interpretation, einen etwas allgemeineren Horizont, in welchen man sie einfügen kann, welchen Platz sie im Grunde in einer breiter angelegten Darstellung des Gesellschaftswandels einnehmen können.

Der Begriff Alternativwirtschaft ist ein Zeitgenosse der Jugendbewegungen des Endes der sechziger Jahre, d.h. der Zeit des ersten kulturellen Infragestellens des „konsumbezogenen” Wachstumsmodells, welches die reichen Länder einschließlich der USA bis Mitte der siebziger Jahre durchquert hat.

Der Begriff Alternative nimmt somit klar als Wille, anders zu leben, zu arbeiten, zu verbrauchen und der Vermassung, Normalisierung und Standardisierung durch die in der Stadtgesellschaft herrschenden Modelle zu entgehen, Stellung. Mit diesem Kritikwillen gegenüber dem Fortschritt oder gar dem Progressismus mischen sich mit Freude theoretische Bezüge von hohem Niveau - ich denke an eine gewisse aus der Frankfurter Schule hervorgegangene amerikanische marxistische Tradition - aus den Ablegern der sozialistischen oder Arbeiterutopie des 19. Jahrhunderts, aus den nicht immer sehr verlockenden Bauerndoktrinen oder aus Philosophien exotischen Ursprungs, welche mit der Reiselust, welche sich von nun an entwickelt, in Verbindung stehen. All dies sicherlich in einer Lage, in welcher sich nationale Befreiungskämpfe (Vietnam, Palästina, Afrika...), die bereits offenbaren Krisen des real existierenden Kommunismus, Sozialkämpfe gegen Fordismus und für Rassengleichheit oder das Recht der Einwanderergemeinden entwickeln.

Eine zweite Generation, welche auch ein Teil der Bewegung der Alternativwirtschaft ist, entsteht im Augenblick der ersten „Krisen-”Symptome der entwickelten Gesellschaften Mitte der siebziger Jahre unter der Wirkung dessen, was man Erdölkrise(n) genannt hat.

Lieber sich verausgaben, als verbrauchen ; ist sich verausgaben nicht die andere Bedeutung des Wortes austauschen ?

Unabhängig von der Analyse der Tatsachen selbst hatten diese Krisen eine starke psychologische Wirkung, denn sie stellten erstmalig die seit Kriegsende unangefochtene Hypothese eines ständigen und regelmäßigen Wirtschaftswachstums in Frage.

Seit 1981 hat in Frankreich ein Teil der Militanten der kleinen Linken gegenüber den „von oben”, von der Mehrheitslinken verkörperten Lösungen einen Stellungswechsel, einen Rückzug auf weniger ideologiegefärbte Experimentierthematiken, welche sich eher auf Nachbarschaft, Kleinstunternehmen und Landgebiet als neue Räume des Gesellschaftswandels orientieren, vorgenommen.

Ich erinnere mich an eine Nummer der Zeitschrift Autrement mit dem Titel : „Die Mikro-Revolutionen”, welche außer den aus der vorhergegangenen Periode übrig gebliebenen Neuerungen die folgenden gut beschrieb : Selbstverwaltete Wohnsiedlungen, neue Formen von Zusammenarbeit auf dem Land, Ökotechnologieunternehmen, alternative Medizin, Lebensräume, Radios und Kommunikationsträger, und all diese Realisierungen wenden sich an ein im Übrigen gleichzeitig älteres und gebildeteres Publikum und finden dann ihr Gegenstück mit der wachsenden Popularität der Solidarität mit der Dritten Welt.

Diese zweite Phase ist gleichzeitig pragmatischer, realistischer, technischer, gegenüber den klassischen Behörden kompromissbereiter.

Zu jenem Zeitpunkt erscheint in Frankreich die erste organisierte Koordinationsform von Alternativwirtschaft durch die ALDEA (Agence de Liaison De l'Économie Alternative), Verbindungsagentur der Alternativwirtschaft, „kleines Dorf” auf kastilisch. Zu jener Zeit ist es ihre Haupttätigkeit, den neuen Unternehmern, namentlich durch Finanzierungs- und Kapitalisationsbeihilfen, Material in die Hand zu geben.

Gegen Ende der achtziger Jahre bereichert sich diese allmählich gesetztere Bewegung um eine dritte Welle konkreter, populärerer, aus dem himmelschreienden Ansteigen der Arbeitslosigkeit und der tiefen Armut hervorgegangener Initiativen.

Wo kann man diese neuen konkreten Initiativen finden ?

Bevor ich von da aus zur Diskussion über Bedeutung und mögliche Tragweite einer solchen Bewegung komme, möchte ich zunächst einige Erklärungen über die organisierte, ich wage es offensichtlich nicht, zu sagen bewusste Form dieser Bewegungen abgeben, und genauer über den Versuch, welchen das REAS in Frankreich darstellt, um ihr einen gewissen Sichtbarkeitsgrad und eine wirkliche Schlagkraft zu geben.

Die Kooperative REAS, die Vereinigung Sozialer Wirtschaft REAS, ist im Jahre 1992 aus der Begegnung zwischen mehreren nationalen oder örtlichen Strukturen für die Unterstützung der Schaffung von Aktivitäten und für lokale Initiativen entstanden, somit ist sie noch ganz jung. Sie definiert sich als eine Kooperative von Wirtschaftsinitiativen der Bürgerschaft und stellt sich unter der Form einer Art von Gruppierung gemeinsamen Interesses mit mehreren Facetten dar :

In Allem, was wir unternehmen, begegnen wir jeden Augenblick der Vielschichtigkeit, der gegenseitigen Abhängigkeit von Örtlichem und Globalem, Förmlichem und Nicht-Förmlichem, der Verbindung individueller Strategien und Gruppenlogiken. [Es überrascht nicht, dass unser Netzwerk in seiner theoretischen oder politischen Dimension den Überlegungen begegnet, welche man hie und dort über das Thema der Transversalität (Morin, Passet), das der ständigen gemeinsamen Entwicklung (Ignacy Sachs, Serge Antoine) über die Probleme der Hingabe (Alain Caillé und die MAUSS), und der Arbeit (Robin, Gorz, ...) oder des Einkommens (Bresson) findet.]

Dies knüpft eine Verbindung zu einigen Überlegungselementen, welche ich vorschlagen möchte, um abgesehen von der Gruppe REAS selbst über das Aufkommen dieser neuen wirtschaftlichen Aktivitätsformen Fragen zu stellen, zu versuchen, sie zu erklären, sodass ihr Beitrag eine für die ganze Gesellschaft positive Funktion bekommen kann, was, wie Sie sehen werden, nicht von vornherein klar ist.

Man könnte sich in der Tat einfach sagen : „Da haben wir eine neue Variante informeller Wirtschaft, wie es sie in Krisenzeiten oder während eines periodischen Rückganges immer gegeben hat”. (So hat man z.B. die enorme Menge Schwarzarbeit, welche vom italienischen Staat und den großen Firmen mehr oder weniger toleriert worden ist, interpretiert, um den Schock der Umstrukturierungen der Jahre 69/71 aufzufangen. Durch einen Balgeffekt bietet der Wachstum anschließend diesen Aktivitäten, wenn sie erst einmal geordnet sind, die Mittel, weiß gemacht zu werden und in die Formalwirtschaft einzufließen.)

Man kann sich ebenfalls - und man hätte auch zum Teil recht - sagen „Da haben wir eine lückenfüllende Wirtschaft”, d.h. eine Wirtschaft, die dorthin geht, wohin die Anderen nicht mehr oder noch nicht gehen : Genau deshalb, weil sie leichter, weniger kapitalistisch und wegen der geringeren Anzahl der in Bewegung gesetzten Akteure flexibler ist, kann sie als Spürhund dienen und dazu beitragen, neue unbefriedigte Nachfragen aufzuspüren, sie zahlungsfähig zu machen, Märkte und Neuerungen zum Vorschein zu bringen. [Eine Variante letzterer Auslegung, mit welcher sie sich im Übrigen kreuzt, ist mit der besten Absicht der Welt geschmückt, denn sie will gegen soziale Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit kämpfen. (Nebenbei bemerkt, es gibt Ausgegrenzte, das ist wohl bekannt, aber keine Ausgrenzer ! ). Diese Variante, welche das gesellschaftliche Interesse und die Produktivität der neuen Formen wirtschaftlicher Selbstorganisation anerkennt, will sie im Grunde als Zwischenarbeitsmarkt unterstützen und einrichten ; wie eine Art von zweitem Arbeitsmarkt (man spricht dann von Aktivität) für alle jene, die sich „out” der klassischen Eingliederungsformen, und ihrer Hauptform : der Lohnarbeit, befinden.]

Es steckt in all diesen Interpretationen ein Stück Wahrheit und eine Art und Weise, gut aufzuzeigen, was in den kommenden Jahren auf dem Spiele steht. Doch beschränken sie sich alle auf einen engen Rahmen, das Modell des Anhäufens und Schaffens von Gütern, welches nach meiner Meinung auf die Dauer, wahrscheinlich unumkehrbar unter ernsten Schwierigkeiten leidet.

Man muss hier an den neuen Gesellschaftsgegebenheiten innehalten. Diese sind nach meiner Meinung von drei Grundelementen gekennzeichnet : Schwierigkeiten der Lohnarbeitsgesellschaft, Krise der früheren Regelungsformen und in diesem Rahmen die Krise der Kostenkontrolle.

Zunächst über die Schwierigkeiten der Lohnarbeitsgesellschaft. Ich teile meinerseits ganz und gar den Standpunkt von Jacques Robin, der behauptet, dass die Informationsrevolution die Arbeit verwandelt, indem sie an die Bedingungen der Wertproduktion selbst rührt, da sie sie nicht mehr auf Energie und mechanische Kraft, sondern auf Beherrschung und Herstellung von Information konzentriert. Dadurch vermindert sich ihr relatives Volumen und konzentriert sich an zwei Polen : Einem Oben, welches Wissen und Zeit beherrscht, und einem Unten, welches, wie es die Marxisten sagen, den Wert verwirklicht und plötzlich der Konkurrenz unterworfen und stark geschwächt ist. Unter diesen Bedingungen verbirgt die an Arbeitslose gerichtete Aufforderung mit dem Thema „Bilden Sie sich, suchen Sie und finden Sie Arbeit” die dauerhafte Wirklichkeit einer Überzahl von Kandidaten gegenüber dem im Rahmen des klassischen Lohnarbeitsmarktes möglichen Angebot.

Ein zweites Grundelement ist die Krise der früheren Formen ökonomischer Regelsysteme. Dies liegt sicherlich zu allererst an der weltweiten Verstrickung. Das Entstehen eines einheitlichen Weltwirtschaftsraumes, wie er im Übrigen von den enormen Kapitalmassen, welche die informationelle Revolution verbraucht und von der Größe der Märkte, die für ihre Rentabilisierung unabdingbar sind, benötigt wird, wurde nicht von der Einführung von entsprechenden Regeln für den Kapitalverkehr begleitet, Schutz und Lokalisierung der Arbeit und des Handels. Die neulichen Verhandlungen über das G.A.T.T. haben nichts mehr und nichts weniger erreicht, als die bestehenden Kräfteverhältnisse im Rahmen eines gigantischen Abkommens für freien Austausch fortzuschreiben. Das Ergebnis ist offensichtlich ein außerordentlicher Druck auf die schwächeren Glieder der Wirtschaftskette, selbstverständlich auf den Süden, (man ist Zeuge einer weltweiten sozialen Apartheid), auf die abgeschwächten Zweige der Arbeiterklasse im Norden, die nicht genügend produktive Landwirtschaft, und sicherlich die Umwelt im Allgemeinen, denn wie jeder weiß, beklagt sich die Natur nicht sofort. Es tut somit Not, neue Regeln zu erfinden und sich auf die eine oder andere Art Formen für einen Weltwohlfahrtsstaat auszudenken. Dies ist das Hauptziel der politischen Kämpfe für eine gerechtere Weltordnung, Abschaffung der heiligen Dreieinigkeit F.M.I., G.A.T.T. und Weltbank, Einrichtung eines Weltwirtschafts-Sicherheitsrates, Verhandlungen für die Schaffung von ungefähr dreißig regionalen Wirtschaftszonen, welche die örtlichen Märkte reformieren könnten, Einführung, trotz aller Schwierigkeiten, einer weltweiten Umweltsteuer auf den Kohlendioxidausstoß und, wie es der Nobelpreisträger James Tobin vorgeschlagen hat, einer Steuer auf die Spekulationsgewinne, welche nach einer neueren Hochrechnung jährlich weltweit ungefähr 150 Milliarden Dollar einbringen könnte.

Ausgegrenzt, verstoßen, versklavt
 
 

Während in Frankreich Anti-Abtreibungs-Kommandos ihre ersten Waffen schmieden, spricht man bereits von Abschaffung des Kindergeldes für alle Frauen, die abtreiben wollen. Marschall, wir sind bereit ! Habt Erbarmen und schießt nicht auf schwangere Frauen. Papst und deine Kohorte von Christen, die in öffentlichen Krankenhäusern Ziborien aufstellen, wenn Sie das Leben mit so viel Großherzigkeit austeilen, dann vielleicht, weil Sie nichts damit anfangen können. Lassen Sie also Frauen sich mit etwas Anderem als der sexuellen Fortpflanzung beschäftigen. Und alle Bürger, wir wollen diese Armeen von empfängnisfreudigen und kommunizierenden Schwänzen zurückweisen, die unter deinen Legionen, o Herr, seit Jahrhunderten nur ein Ziel im Auge haben : die Frau zu besamen, um sie an die Härte des heimischen Herdes zu ketten.

 

Doch die Entfernungen, die Schwierigkeiten und vielleicht die Gefahren, die man liefe, wenn man sofort an Formen von Weltregierung dächte, fordern uns dazu auf, die wechselseitigen Abhängigkeiten und die neuen Regeln auf eine andere Art und Weise zu erarbeiten.

Dies um so mehr, als das Modell der staatlichen Ausgleichszahlungen für die vom Markt angerichteten Schäden durch die Höhe der externen Kosten, welche dieses System ständig verursacht, an seine Grenzen stößt. Unter externen Kosten versteht man, wie Sie sicher wissen, die reellen von der Produktion einer gegebenen Ware verursachten Kosten, welche nicht unmittelbar in die Herstellungskostenrechnung einfließen, sondern auf die eine oder andere Art später, d.h. vom Steuerzahler oder von den kommenden Generationen finanziert werden... Aber diese externen Kosten, die Kosten der Arbeitslosigkeit, die Kosten der weltweiten sozialen Apartheid, die Kosten der Kriege zur Aufrechterhaltung der Ordnung, die Umweltkosten, steigen exponentiell an, während sich gleichzeitig die Verantwortlichkeiten auflösen und die Beziehungen undurchsichtig werden.

Die Frage, welche man nunmehr angehen muss, zumindest, wenn man sich in einer Logik sozialen Wandels befindet, ist die Frage der Wiedereingliederung der versteckten Kosten, oder, um etwas verständlicher zu sprechen, vorzubeugen, statt zu heilen. Für jeden sozialen Fortschritt ist es nunmehr eine unabdingbare Vorbedingung, die externen Kosten so weitgehend wie möglich an der Quelle zu begrenzen.

Genau dies versucht bei uns die Alternative und Solidarische Wirtschaft ; die Realisationen, über die ich am Beginn gesprochen habe, sind hiermit täglich konfrontiert.

In einer Verteidigungs- und Selbstorganisationslogik schaffen Gesellschaftsgruppen und Territorien, die Opfer der herrschenden Logik sind, täglich Ersparnisse für die ganze Gesellschaft, indem sie eine Qualität/Preis-Beziehung (wohlverstanden, es handelt sich um den Preis von allgemeinem Interesse) von hohem Niveau erstellen.

Die neue Bürgerrechtswirtschaft kann man somit gleichzeitig als eine Wirtschaft, die ein neues Modell für die Eingliederung zur Arbeit mit sich bringt, und auch als Vorbeugungswirtschaft darstellen.

In der Tat sind ihre Beiträge beträchtlich, wenn man versucht, sie mit anderen Mitteln als den gewohnten Kriterien zu betrachten und auszuwerten :

Versuche, anders zu rechnen,

Geld macht nicht glücklich. Glück macht kein Geld. Geld und Glück haben das gleiche Fell. Es ist ein Trommelfell. Um zu lärmen, muss man darauf schlagen. Geben Sie uns für Ihr Geld, und das wird Ihnen Glück bringen.

In all diesen Beiträgen, welche die Notwendigkeit oder der Wille zum Bruch hervorbringen, stecken Lösungen, deren Tragweite bei Weitem nicht nur örtlich oder auf die Mikro-Initiative, welche sie entstehen lässt, beschränkt ist ; diese Lösungen haben der ganzen Gesellschaft etwas zu sagen.

Im Grunde rufen uns von oben die aktuelle Krise des Produktivismus und von unten die Praktiken, welche versuchen, auf zukünftige Regelungen vorzugreifen, dazu auf, den ganzen Sozialvertrag, welcher vor ungefähr fünfzig Jahren ausgearbeitet wurde, wieder in Frage zu stellen.

Somit stellen sich jetzt zwei Fragen : Sind diese Praktiken mit den aktuellen Wirtschafts- und Unternehmensrahmen vereinbar, und wäre es für den Fortschritt nicht angebracht, auch auf dieser Seite tiefgreifende Reformen in Betracht zu ziehen ?

Die Antworten auf diese beiden Fragen sind nein auf die erste und ja auf die zweite.

Die Alternativinitiativen, welche versuchen, wieder einen Sinn in die Wirtschaftslogik einzuführen, können manchmal nur entweder um den Preis eines Versteckenspielens mit den herrschenden Regeln (Beispiel : das Arbeitslosengeld als Grundeinkommen zu benutzen, Rentner auf freiwilliger Basis ehrenamtlich in Unternehmen arbeiten zu lassen...) oder einer Selbstregelung, welche dazu führt, auf Entgelt oder Zeit zu drücken, überleben, was diese Initiativen gleichzeitig sympathisch macht und ihnen eine nur sehr relative Anziehungskraft verleiht, denn es ist schwierig, dort Karriere zu machen oder Kapital anzuhäufen...

Die bemerkenswerten und nicht seltenen Ausnahmen betreffen Sektoren, in denen technologischer Fortschritt, hohes Niveau nicht-materieller Investitionen oder ungewöhnliche Kombinationen hohen Mehrwert schaffen : Informatik, Kultur, Handwerk, Handel mit seltenen Gütern, Ökotechnologien...

Wenn das Problem der Entwicklung dieser anderen Wirtschaft tatsächlich als für die Meisten offene Alternative gestellt wird, so muss man vordringlich in Betracht ziehen, dass sie, wie ich am Anfang sagte, eine in die Gesamtpolitik einzugliedernde Antwort unter anderen ist. Die hier unterstrichene Notwendigkeit führt nicht dazu, vom Staat zu verlangen, selbst eine solche Eingliederung in die Hand zu nehmen, sondern Räume und neue vielfältige Rahmen für diese Art von Wirtschaft zu eröffnen.

Das REAS hatte bereits die Gelegenheit, in dieser Richtung die Einführung des Statuts eines Unternehmens der dritten Art, eine angepasste Fiskalität und Volkssparmodus, Verfahren zur Anerkennung und Bewertung dieses dritten zwischen den beiden anderen vermittelnden Aktivitätensektors, welcher heutzutage getrennte Formen von Eigentum und Machtstrukturen wie Verein, Kooperative, klassisches Unternehmen und Öffentlichen Dienst vermischt, vorzuschlagen.

Sicher fordern und bringen derartige Reformen eine starke Umformung der Verhaltensweisen und Denkweisen mit sich, aber sie zwingen niemanden zu nichts und können Räume von Vielfalt und gesunder Konkurrenz zwischen den verschiedenen Logiken eröffnen.

Ausgehend von der neueren Geschichte unserer Gesellschaften und der Gegenkultur- und Sozialbewegungen, die sie durchqueren oder durchquert haben, kommen wir ganz natürlich zum Problem der Demokratie, und genauer zu demjenigen der Wirtschaftsdemokratie.

Wir (jene, sie, Sie) haben Sicherheit und Konsummöglichkeiten gegen Wirtschaftsübertragung eingetauscht. Der zumindest teilweise Verlust dieser Sicherheit, welchem nur wenige Gruppen selbst im Zentralkern der Produktion entgehen, der Mangel an Zugehörigkeitsgefühl, welcher den Verfall der Machtstrukturen der allgemein bekannten Instanzen, z.B. der Nationalstaaten, aber auch der Parteien oder Gewerkschaften hervorruft, fordern uns dazu auf, für uns selbst neue Autonomie- und Kontrollräume wiederzuerobern, während wir wieder an die weiter entfernten Solidaritäten zu denken haben. Die alternative und solidarische Wirtschaft schlägt uns vor, diese Gliederung neu zu überdenken.

Gibt es eine Alternative zur Alternative ? Ich habe zu diesem Thema schwere Befürchtungen. Gegenüber dem Pessimismus der Intelligenz, welche den Umbruch nur im Lärm der Zerstörung und der Kriege, wären sie nunmehr auch von geringerer Intensität, stattfinden sieht, ziehe ich offensichtlich den Optimismus des Willens und den Aphorismus von Mark Twain vor, wenn er sagt : „Sie wussten nicht, dass es unmöglich war, also haben sie es getan ! ”

Jacques Archimbaud
Direktor des REAS


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