Les périphériques vous parlent Nr. 4
WINTER 1995/1996
S. 3-4
deutsch
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Brief an die Leser der Nr. 4 An unsere Leser
 Leitartikel 

gegenüber

„Konkurrenz”
(Fischer : Le travail et son espace, Verl. Dunod)

Die soziologischen Auslegungen der ergonomischen Normen bezeichnen die Stellung von Angesicht zu Angesicht als „Konkurrenz”.

Kann man wirklich von zwei Personen, die einander gegenübersitzen, behaupten, dass sie sich in Konkurrenz befinden ?

Welche Gründe uns dazu geführt haben, den Raum, der sich zwischen zwei Personen aufbauen kann, mit einer derartigen „Negativität” zu belasten, darüber sollte man sich Gedanken machen. Könnte das nicht anders sein, könnte man sich nicht die Ursprungsbedeutung des Wortes Konkurrenz wieder zu eigen machen : Gemeinsam das gleiche Ziel anstreben ?


Unter dem Zeichen der Generalstände für die Zukunft

Letzten März veröffentlichte Les périphériques vous parlent eine Sondernummer, in der wir eine Anzahl von Argumenten vorgestellt haben, welche die Einberufung von Generalständen für die Zukunft betreffen.

Wir wollen den Leser daran erinnern, dass es sich bei diesem Projekt darum handelt, eine Bewegung zu beginnen, die Einzelpersonen, verschiedene Gemeinschaften, Organisationen und Vereinigungen dazu auffordern sollte, Vorschläge vorzubereiten, welche die Entwicklung im Rahmen von Arbeitswelt, Sozialwesen, Politik und Kultur betreffen. Diese Vorschläge sollen eine Antwort auf den Anstieg der Verunsicherung geben. Die Tatsachen bestätigen ohne Unterlass die fortschreitende Einpflanzung einer under-class (Unterklasse) in den meisten Industrieländern, und dieser Wirklichkeit räumen wir in dieser Nummer einen breiten Platz ein.

Ein Hauptpunkt dieser Methode stellt die Notwendigkeit dar, eine Bewegung zu erfinden, die auf dem eigenen Ausdruck jedes Einzelnen und jeder Gemeinschaft beruht. Sie macht es nötig, passende Organisationsformen zu erfinden.

In der Folge der Bekanntmachung dieses Projektes haben mehrere Begegnungen sofort die Form von „spontanen” Vollversammlungen angenommen, im Laufe derer sich ihm zahlreiche Teilnehmer angeschlossen haben.

Die dort aufgeworfenen Fragen kann man u.A. wie folgt zusammenfassen :

„Klageblätter” hatten die Generalstände von 1789 genährt. Gemäß ihrem Modell haben wir von Anfang an die Idee vorgeschlagen, „Zukunftsblätter” zu schaffen. In der Folge haben wir den Ausdruck „Zukunftsblätter” durch „Akte für die Zukunft” ersetzt. Der Begriff „Akt” umschließt hierbei alle Medien, die möglicher Weise Ausdrucksträger sein können,wie z.B. Text, Photographie, Video, Grafik, Multimedia oder Theatralität. Diese Akte sollten konkret den Beitrag Aller am sozialen und kulturellen Wandel zum Ausdruck bringen.

In allen vergangenen Ausgaben haben wir ohne Unterlass versichert, dass es not tut, dem Menschen wieder das Ruder des sozialen und politischen Wandels in die Hand zu geben. Der Mensch muss Akteur und kein Interpret sein, dies wollen wir nochmals klarstellen. Es geht hier für einen Jeden um eine Art und Weise, Leben, Arbeit und Sozialbeziehung anders zu leben und zu denken. Nach unserer Überzeugung besteht „anders machen” mit Sicherheit nicht darin, eine sogenannte Ursprungsstabilität der Welt, die nur von einer vorübergehenden Krise gestört wird, wiederherzustellen, sondern eher darin, sich Kenntnisse und Mittel in die Hand zu geben, um der Labilität der Epoche Stirn zu bieten. Dies verpflichtet einen Jeden in seinem Leben, seinem Alltag, in seiner Denkweise und seiner Weltanschauung.

Nietzsche behauptet : „Für den, der weiß, warum er lebt, hat es wenig Bedeutung, wie er lebt”. Heutzutage gewinnt allenthalben die Frage „Wie kann man leben” die Oberhand, denn der sogenannte Wirtschaftsrealismus und die Härte, welche die „buchhalterischen Gründe” aufzwingen, verschleiern die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wir würden vor Allem wünschen, dass aus den Generalständen für die Zukunft eine Zukunftsvision auftaucht, und nicht „ein Programm” für eine bessere Verwaltung der Dinge, auch wenn es Neuerungen brächte. Es fehlen Lebens- und Gesellschaftsziele, und diese Leere betäubt das Bewusstsein derart, dass in der sozialen Teilnahmslosigkeit niemand mehr sehen kann, was er in Wirklichkeit lebt.

Widerstand gegen die Verunsicherung kann sich nicht als eine Parole durchsetzen, um Unterdrücker und Unterdrückte zu bezeichnen oder die Armut gegen das Privileg aufzuhetzen. Widerstehen bedeutet vor Allem, zu existieren. Es bedeutet, sich ein Zukunftsziel zu setzen und sich dazu zu zwingen, weiter als nur kurzfristig zu „sehen”. Die Kurzfristigkeit zwingt uns nämlich täglich, an unserem Leben vorbeizuleben, indem sie vorgibt, dass die Entsagung der einzig mögliche Ausweg aus dem „sozialen Bruch” wäre. Warum kann man nicht, statt sich weiterhin zu fragen, wie man sich in einer Arbeitswelt, die immer weniger Arbeitskräfte benötigt, eingliedern kann, folgende Vorfrage stellen : Welche Zukunft kann man sich in der Gegenwart vorstellen, um einen anderen Lebens- und Produktionsrahmen und ein anderes Wirtschaftssystem aufzubauen, in denen ein Jeder eine Rolle zu spielen hätte ?

Die gegenwärtigen technologischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Umwälzungen wirken sich heutzutage auf den Sozialbereich aus. Es ist unser Anliegen, dass die Generalstände für die Zukunft aus diesen Umwälzungen heraus durch die Akte für die Zukunft neue Aktionsproblematiken zum Vorschein bringen können.

Diese Erwägungen, unter anderen, nähren die vorliegende Nummer. Jeder auf seine Art versuchen all diese Bereiche durch die Vielfalt der angesprochenen Problematiken, ob sie Landwirtschaft, Wirtschaft, Stadtplanung, Psychiatrie, Universität, Philosophie oder Theatralität betreffen, die Zukunft zu überdenken, und auch die vielfältigen Beziehungen, welche die Vielschichtigkeit der aktuellen Welt erlaubt, zwischen verschiedenen Kenntnissen und Praktiken anzuknüpfen.

Die Redaktion


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Les périphériques vous parlent, zuletzt bearbeitet am 3. Juli 03 von TMTM
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